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Agile@Home

Orsolya Gyulai • 26. März 2020
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Kann man das Zusammenleben im Home Office auch nach Agilen Methodiken gestalten? Wir haben das Experiment gewagt!

In diesem Beitrag versuche ich zu schildern, wie ich in der ersten durch die #coronavirus-Pandemie bedingte „Quarantäne“-Woche mit Hilfe der agilen Werte neue Routine in meiner Familie eingeführt habe, um durch Transparenz, regelmäßige Überprüfung und Anpassung unserer Tagesabläufe ein wertvolles, vollständiges und gesundes Leben zu Hause verwirklichen zu können (Ziel).

Agile Tasks beim Mobile Working der twinformatics GmbH
Agile Tasks beim Mobile Working der twinformatics GmbH

Agile Werte in der Familie
Wir alle verpflichten uns, das Ziel (wertvolles, vollständiges, gesundes Leben) gemeinsam zu erreichen. Auch wenn Herausforderungen auftreten, (plötzlich Home Office, VPN geht nicht, wer spielt mit mir?), sind wir mutig, Dinge anzusprechen (etwa „Ich brauche Raum und Zeit“) und Lösungen vorzuschlagen (Internet upgrade, private Geräte anwenden, Zeitplan), oder um Hilfe zu bitten (alternative online Lernmaterialen, abwechselnd kochen und Kinder betreuen).

Wir konzentrieren uns auf unsere Tasks, auf die Arbeit, die wir selbst gewählt haben, oder die wir uns selbst vorgenommen haben (Arbeit und Familie). Wir reden über die Probleme („ich langweile mich, welche konkrete Rechenbeispiele soll ich machen?“), sind für Feedbacks offen („kann diese Aufgabe nicht allein machen, brauche Unterstützung“), und respektieren die Meinungen der anderen Familienmitglieder (auch von den Kindern, die zuerst spielen und dann lernen möchten).

Planning is essential, but the plans are useless
Jeder Scrum Master ever ;) 
Agile Tasks beim Mobile Working bei der twinformatics Gmbh
Agile Tasks beim Mobile Working bei der twinformatics Gmbh

Am ersten Tag des überraschenden Home Offices haben wir folgende Pläne erstellt, und dabei einen guten Übersicht bekommen, was wir haben und was wir alles bis Ende der Woche erreichen möchten.

Beispiele

Der Tagesplan war sowohl notwendig als auch dringend, damit wir mit der Woche überhaupt starten können. Wir haben gemeinsam die Zeitfenster definiert, wann fokussierte Alleinarbeit und wann gemeinsame Zeiten (beim Essen, Sport, Spielen) stattfinden können/dürfen/sollen. Das war nicht zuletzt wegen der Raumverteilung wichtig, damit wir einander bei Yoga oder Klavierspielen in der Wohnung nicht gegenseitig stören.

Bei der Erstellung des Menüplanes haben wir gemeinsam definiert, wer, was und an welchem Tag kochen kann und was wir dazu brauchen. Wir haben eine Inventur durchgeführt, und die Mahlzeiten zusammengeschrieben. Wir mussten dann nur entscheiden, wer an welchem Tag fürs Essen zuständig ist. Ein zusätzlicher Einkauf war laut Plan nicht notwendig

Die ersten Fragen, die wir uns gestellt haben: Welche Bücher, Hefte und online Tools haben wir zu Hause, was können wir in der Schnelle zur Verfügung stellen, damit meine Tochter lesen, rechnen und schreiben üben kann? Welche Aufgaben kann sie alleine schaffen und wo braucht sie Hilfe? Alle Aufgabenbereiche haben wir mit ihr zusammen auf Post-its notiert (Lesen auf Deutsch oder auf Ungarisch, ABC-Heft, Rechnen, Gitarre, Klavier, ...) Sie durfte vom ersten Tag an selbst entscheiden, welches Thema in welchem Zeitfenster (3 Stunden Vormittag und 3 Stunden Nachmittag) sie woran arbeiten möchte. 

Empirie in der Realität

Um gute Entscheidungen treffen zu können, haben wir uns auf unsere bisherigen Erfahrungen gestützt. Wir haben schon öfters im Home Office gearbeitet, aber diese Situation ist jetzt freilich ganz anders. Eines ist sicher: Wir brauchen mehr als Pläne! Um unser neues Leben managen und weiterentwickeln zu können, haben wir begonnen, mit der empirischen Prozesssteuerung zu experimentieren.

Agile Tasks beim Mobile Working bei der twinformatics Gmbh
Agile Tasks beim Mobile Working bei der twinformatics Gmbh

Transparenz

Die wesentliche Aspekte unseres Home Office-Lebens (Essen, Arbeiten, Lernen, Spielen, Schlafen) müssen für allen Beteiligten sichtbar sein, und wir alle brauchen ein gemeinsames Verständnis darüber, was wir sehen, um gute (passende) Routine und Regel erstellen zu können.

Wir platzieren unsere Pläne, To-Do Listen, etc. dort, wo jeder Einsicht hat.

  • Beispiel Menüplan: Auf dem Kühlschrank sieht man den Wochenplan für Essen. Unter Essen verstehen wir nur das Mittagessen. Das ist die Mahlzeit, bei der wir gekochtes, warmes Essen vorbereiten. Wir sind damit einverstanden, dass Frühstück und Abendessen nicht gesondert geplant werden müssen.
     
  • Beispiel Lernplan: Der Lernplan wurde zusammen mit dem Tagesablauf auf einem kleinen Whiteboard erstellt und wird jeden Tag in der Früh von meiner Tochter aktualisiert. Dieses steht in ihrem Zimmer neben ihrem Tisch.

Die Störungen haben wir versucht, sofort vor Ort zu erkennen und zu besprechen, damit wir diese beim nächsten Mal vermeiden können.

  • Beispiel: Störung bei Yoga/Meditation in der Früh, Störung bei Online Meetings durch Lärm, ... Sofortmaßnahmen: Pläne sichtbar machen, Meetings ankündigen und Alternativprogram vorbereiten (etwa Films für Kids auf Tablet)
Wir haben regelmäßig (täglich) unsere Abläufe angeschaut, bewertet und beurteilt!
Orsolya Gyulai 

Retrospektive

Am Sonntag haben wir uns Zeit genommen und eine kurze Retrospektive gemacht. Wir haben jeweils ein Blatt Papier genommen und in zwei Hälften gefaltet. In 5 Minuten haben wir in Einzelarbeit die wichtigsten Gedanken zusammengeschrieben. Auf der linken Seite was in dieser Woche alles gut gelaufen ist und auf der rechten Seite was alles noch verbessert werden könnte. Jeder hatte die Möglichkeit (nicht Pflicht!), seine Themen vorzutragen. Nach der Runde haben wir kurz diskutiert und besprochen, wie wir einander noch besser unterstützen können und wie wir unsere Probleme gemeinsam lösen können. Wir sind auf Maßnahmen gekommen, die wir in einer To-Do Liste zusammengefasst haben. Diese Liste und deren Abarbeitung hat uns sehr dabei geholfen, den Plan für die nächste Woche noch besser zu gestalten.

Agile Tasks beim Mobile Working bei der twinformatics Gmbh
Agile Tasks beim Mobile Working bei der twinformatics Gmbh

Anpassung

Wenn manche Dinge nicht akzeptiert werden können, müssen Änderungen stattfinden. Und zwar so schnell wie möglich, um größere Abweichungen vermeiden zu können. 

Wir haben sowohl den Menüplan (um die Einkaufliste ergänzt), als auch den Lernplan angepasst. Der Tagesablauf wurde nach der Retro auch für alle verständlicher.

  • Beispiel Lernplan: Lernmaterial steht zwar genug zur Verfügung, wir mussten aber online auch noch was besorgen, bzw. es stellte sich heraus, dass es schön wäre, wenn wir Aufgaben auch ausdrucken könnten. So haben wir einen Drucker und Druckpapier besorgt. 
     
  • In der Retro stellte sich zudem heraus, dass sie mehr Unterstützung braucht, mehr konkretere Übungen und Beispiele. Aus diesem Grund haben wir den Lernplan in ein Trello Board umgewandelt, damit wir dort konkrete online Beispiele und Links pro Thema (Lesen, Rechnen, Gitarre spielen, etc.) sammeln können. Sie kann mithilfe Hilfe von Trello auch lernen, wie sie online unterwegs sein kann und wie sie digitale Unterlagen (Video, Hörbücher, Spiele) fürs Lernen anwenden kann.

Wir können uns momentan freilich nur auf unser Gefühl stützen, es gibt keine Kennzahlen, die wir auswerten könnten. Aber die Stimmung zu Hause ist viel besser geworden, als sie es noch vor einer Woche am Montag war.

Damit die oben beschrieben agile Werte in der Familie nicht nur bekannt sind, sondern auch gelebt werden, würde ich noch folgende Gesellschaftsspiele empfehlen: The Mind, Just One. Viel Spaß, viel Erfolg und bleibt gesund!
 

Über mich

Orsolya Gyulai
Orsolya Gyulai

Autorin: Orsolya Gyulai 

Ich komme aus dem agilen Projektmanagement und Coaching im Bereich Personal & Business Development. Seit März 2020 bin ich bei der twinformatics im Agile Competence Center als Scrum Masterin tätig und nehme an einer Agile-Coaching-Ausbildung teil. In meiner Freizeit sitze ich gerne auf dem Fahrrad, spiele Klavier, singe und spiele mit meiner Tochter (7).

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